Diagnose: Krebs im Endstadium. Und dann steht auch noch der Teufel im Hawaiihemd auf der Matte und bietet dir einen Deal an. Für jeden weiteren Tag Leben verschwindet ein Gegenstand von der Welt. Schlägst du ein?
Nachdem mir dieses Buch nun zum widerholten Male auf Literaturblogs begegnete und ich aufgrund der begeisterten Rezensionen regelrecht heiß darauf wurde, beschloss ich, mich dessen anzunehmen und wurde nicht enttäuscht. Vollkommen überzeugen konnte die Geschichte mich jedoch auch nicht. Aber der Reihe nach…
Zunächst einmal möchte ich den klaren, unaufdringlichen Schreibstil loben, durch den sich das Lesen sehr angenehm gestaltete, flogen die Seiten doch nur so dahin. Auch inhaltlich beschränkte sich Genki Kawamura mit der überschaubaren Anzahl an Figuren und Schauplätzen auf das Wesentliche, was ich sehr zu schätzen wusste. Viel zu oft schweifen Autoren vom Kern des Ganzen ab und vergessen dabei, worum es eigentlich geht. Hier nicht.
»Ihr Menschen glaubt, ihr seht die Welt, wie sie ist. Aber da irrt ihr euch gewaltig. Ihr stellt Definitionen auf und seht sie dann so, wie es euch passt.« S.108
Das Problem in diesem Fall liegt eher darin, dass der Kernkonflikt, die Frage nach dem Sinn des Lebens und dessen, was wichtig ist, durch die Gedankengänge des namenlosen Protagonisten zwar durchgehend thematisiert, jedoch in seiner Tiefe gefühlt nur gestreift wird. Denn es sind keine revolutionären Erkenntnisse, die dem Leser hier präsentiert werden, es ist vielmehr das altbekannte Wissen um die Bedeutsamkeit des Einfachen, das sich schleichend offenbart. Zum Nachdenken angeregt fühlte ich mich trotz der offensichtlichen Absicht weniger, was allerdings nicht heißen soll, dass mich das Buch kalt ließ. Denn das war ganz und gar nicht der Fall.
Ich habe gelacht. Laut gelacht. (Der Teufel sorgt für einige lustige Momente.) Ich war an passender Stelle von Panik ergriffen und ich habe sogar geweint. (Ich kann mich nicht erinnern, wann oder ob dies zuletzt der Fall war.) Denn während mich in der ersten Hälfte des Buches häufig das Gefühl überkam, es wüsste nicht recht, wohin es wollte, kommt der zweite Teil mit ungeahntem Gefühl daher, wobei mich so manche Stelle im Herzen berührte. Interessanterweise deckt sich die anfängliche Orientierungslosigkeit mit jener unseres Protagonisten, weshalb ich diesen Makel gern als gewollt einstufe.
Dennoch, etwas fehlte mir. Vermutlich ganz einfach das mehr. Mehr Tiefe, mehr über-den-Tellerrand-schauen, vielleicht auch mehr Seiten. Aber sei es drum. Kawamura legt mit »Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden« einen einfühlsamen, nachdenklichen Roman mit Humor vor, der vielleicht etwas zu viel will, aber dafür anderes schafft.
Genki Kawamura | Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden | Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe | Bertelsmann | 190 Seiten | 18,00 € | ISBN 978-3-570-10335-7