Die zwölf Könige

Sharakhai, eine Stadt mitten in der Wüste. Umgeben von machthungrigen Reichen, die den florierenden Handelsort gern ihr Eigen nennen würden. Doch zwölf Könige halten schützend die Hand über ihre Stadt. Sie sind Jahrhunderte alt, beschenkt von den Göttern selbst und regieren mit eisiger Härte. Vor 400 Jahren ist etwas geschehen, niemand außer ihnen weiß von den wahren Ereignissen in jener verhängnisvollen Nacht, die bis heute in Form von menschenraubenden Alptraumgestalten ihre Krallen nach den Bewohnern Sharakhais ausstreckt. Wer versucht, sich der Geschichtsschreibung der Könige entgegenzustellen, wird hingerichtet. So auch einst die Mutter der 19-jährigen Çeda, die nun verbissen in den berühmten Kampfarenen der Stadt kämpft und geduldig auf eine passende Gelegenheit wartet, sich an den scheinbar allmächtigen Herrschern zu rächen…

Breadley Beaulieus »Die zwölf Könige«, erster Teil einer Trilogie, war mit seiner lebendigen, mich vollkommen für sich einnehmenden Welt eine kleine Überraschung. Trotz der 700 Seiten, die für gewöhnlich abschreckend auf mich wirken (allerdings sei hier gesagt, dass ich durch die dünnen Blätter arglistig hinters Licht geführt wurde), griff ich gern zu diesem Buch. Nicht aus Pflichtgefühl, sondern spannungsgeladen und mit echtem Interesse. Zweifellos ist das auch auf meine Schwäche für (phantastische) Wüstenschauplätze zurückzuführen. Und Beaulieu vollbringt es vortrefflich, die orientalische Atmosphäre mit ihren fremden Gerüchen, überlaufenen Basaren und staubigen Kampfgruben einzufangen. (Ein Detail, das mich maßlos begeisterte: Sandhäfen mit Schiffen, die durch die Wüste schippern. Und Sandsurfen. Einfach Genial!) Magie nimmt in Sharakhai eine untergeordnete Rolle ein. Die Menschen sind sich ihrer Existenz bewusst, – es gibt die Könige mit ihren unbekannten Kräften, Gottheiten und dämonische Kreaturen – findet für den Großteil der Bewohner aber keinen Einzug in den Alltag, sieht man einmal von der (verbotenen) Einnahme aufputschender Pflanzenblätter ab.

Diese Welt lernen wir langsam, Stück für Stück kennen und einzuschätzen; Beaulieu verzichtet dankenswerterweise auf ein rücksichtsloses, überforderndes Hineinwerfen in den Kosmos mit tausenden Namen und Orten, wie man es von anderer Fantasy mittlerweile fast schon gewöhnt ist. Er fängt kleinteilig mit dem (kampfreichen) Alltag unserer Hauptfigur an und führt uns durch ihre Augen an die verschiedenen relevanten Akteure bzw. Gruppen heran, die im Glossar am Ende des Buches noch einmal aufgelistet werden.

Çeda ist eine typische Badass-Protagonistin, die jedoch auch mal einstecken und einen Schritt zurücktreten muss, weil nicht immer alles nach Plan verläuft. Da die Handlung bis auf wenige Ausnahmen aus ihrer Perspektive geschildert und durch Rückblenden untermauert wird, lernen wir ihren Charakter und das, was sie antreibt, kennen – sollte man zumindest meinen. Tatsächlich fühlte ich mich bis zuletzt sonderbarerweise weder von ihrem, noch dem Schicksal Emres, Çedas Kindheitsfreund, aus dessen Sicht wir auch einige Kapitel verfolgen, berührt. Vielmehr verfolgte ich die Handlung aus einer gewissen Distanz, was, wie ich bald feststellte, eindeutig daran lag, dass zwar die Aktionen und Gedanken ausreichend, die Gefühle der Charaktere jedoch nur marginal beschrieben werden. Das gestaltet den Aufbau einer Bindung natürlich schwierig. Neben einer Verbesserung dieses Punktes bleibt außerdem zu hoffen, dass in den anderen Bänden das Erzähltempo angezogen wird. Denn so angenehm es sich auch im Einstieg machte, so frustrierend wirkte die Langatmigkeit im Mittelteil, dem ich, müsste ich das Buch zusammenfassen, kaum einen Satz widmen würde. Entsprechende Kürzungen hätten der Geschichte zweifellos gut getan.

»Die zwölf Könige« ist freilich kein neues Fantasy-Epos – dafür ist die Handlung bisher schlicht nicht komplex genug. Vielmehr kratzt Beaulieu an diesem Prädikat, denn die Welt bietet zweifellos entsprechendes Potenzial. Und auch die Weichen sind klug gelegt, um den Handlungsspielraum anderer, bisher am Rande aufgetretener Parteien weiter auszubauen. Trotz meiner zwei großen Kritikpunkte Emotion und Tempo freue ich mich also auf die Folgebände und eine epische Zuspitzung des Konflikts, der hoffentlich nicht nur in bloßem Schlachten und Meucheln mündet…

Bradley Beaulieu | Die zwölf Könige. Die Legenden der Bernsteinstadt | Aus dem Amerikanischen von Antonia Zauner | Knaur | 688 Seiten | Preis:  16,00€  | ISBN: 978-3-426-51817-5

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