Die Kunst des Krieges

Nachdem dieser Titel schon lange auf meiner Wunschliste verkümmerte, packte mich kürzlich der Eifer und ich stieß auf einen wunderschönen Schuber aus dem Nikol Verlag, der mich vor ein Rätsel stellte.

Denn besagter Schuber enthielt eine Auswahl von sechs äußerlich 2wunderschön gestalteten Hardcovern (!) asiatischer Klassiker zu einem Preis von 19,95 €. Das macht etwa 3,30 € pro Buch. Auf der Website des Verlags kann man sie auch einzeln für je 4,95 € sein Eigen nennen, »Die Kunst des Krieges« gibt es sogar für nur 3,50 €. Die Buchwissenschaftlerin in mir horchte hier natürlich auf und bestellte das ganze in der Buchhandlung ihres Vertrauens, um dem nachzugehen. Und siehe da:

Der Schuber, sauber zusammengesteckte, dickere Pappe, wie seine Schützlinge kamen in einwandfreiem, sauber verarbeiteten und, wenn man einmal durchblätterte, ordentlich gesetzten Zustand bei mir an. Allein anhand des Papiers, das an sich eine schöne Dicke und Haptik aufweist, jedoch aufgrund seiner Beschaffenheit eine Verfärbung in nicht allzu ferner Zukunft erahnen lässt, war ein »Qualitätsmangel« (wenn man ihn denn überhaupt so nennen mag) festzustellen. Doch nur durch das Material lässt sich der günstige Preis nicht erklären. Begeben wir uns also auf einen kleinen buchwissenschaftlichen Ausflug!

Da die Urheberrechte für die mehrere hundert Jahre alten Werke erloschen sind, muss der Verlag keinen der Autoren mehr bezahlen, es verbleiben nur Kosten für ÜbersetzerInnen. Eine willkommene Besonderheit, die mir hier auffiel: »Die Kunst des Krieges« wurde direkt aus dem chinesischen übersetzt und ist nicht, wie es bei asiatischer Literatur oft der Fall ist, eine Übersetzung einer Übersetzung. Über die Qualität kann ich natürlich nicht urteilen, doch zumindest erschien mir alles flüssig und verständlich. Es gab sogar einige erklärende Fußnoten zu uneindeutigen Fällen bzw. zu kulturell aufgeladenen Wörtern. Auch die anderen Bücher des Schubers wurden bis auf eines zumindest aus der Originalsprache übertragen (da es sich um sehr alte Texte eines anderen »Sprachstadiums« handelt, greift man oft anstelle des Originaltextes auf spätere »Übersetzungen« derselben Sprache zurück).

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In einem der sechs Fälle ließ man die Geschichte zudem nicht selbst übersetzen, sondern entschied sich für den Erwerb des Lizenzrechts von einem anderen Verlag, der diese Version erstmals bereits 1994 veröffentlicht hatte. Urheberrechtsfreie Werke und die Nutzung von Lizenzrechten sind also die naheliegende Antwort auf die Preisfrage.

Um das Endprodukt weiterhin möglichst erschwinglich anbieten zu können, wählt man möglichst günstige Materialien und Produktionsbedingungen (in diesem Fall erfolgte der Druck in der Tschechischen Republik), sodass der Gewinn am Ende durch die Masse erfolgt. So arbeiten einige Verlage, eben auch der Nikol Verlag. Alte Klassiker werden wieder en vogue, indem man sie preisgünstig und in ansprechender äußerer Erscheinung, mitunter leinengebunden, anbietet. Bei mir hat die Taktik offensichtlich funktioniert.

Diese Gedanken dazu. Kommen wir nun zum eigentlichen Anlass dieses Beitrages: »Die Kunst des Krieges«. Dem Text selbst geht eine kleine Einführung in das chinesische Altertum voraus, einer verhältnismäßig konfliktarmen Zeit der Kleinstaaterei, in die der Autor dieses Klassikers, Sunzi, oder – wie wir sogleich erfahren – vielmehr Sun Wu hineingeboren wurde. Die prägnante Mischung aus geschichtlichen, archäologischen und volkstümlichen Aspekten (ich verweise auf eine blutige Legende über den General), gepaart mit einigen Worten zu früheren Übersetzungen gefiel mir außerordentlich gut und motivierte mich, nach weiterführender Literatur zu recherchieren.

Das folgende Werk ist in 13 Kapitel unterteilt, die allesamt in absolutem Ton beschreiben, wie ein General richtig zu handeln hat, um im Krieg als Sieger hervorzutreten. Ein Beispiel an manch einer Stelle wäre hilfreich gewesen, auch wenn man durch die kurzen und klaren Ansagen grundsätzlich versteht, worauf Sunzi hinauswill. Schwer macht es nur die Menge an Aufzählungen verschiedenster, sich leicht unterscheidender Situationen, die zunächst kurz beschrieben und anschließend nacheinander näher erläutert werden. So zwingt Sunzi einen zum sehr aufmerksamen Lesen, gegebenenfalls muss noch einmal zurückgeblättert werden, um sicher zu gehen, dass man das Beschriebene auch korrekt miteinander verknüpft.

»Ein guter Feldherr weiß, wie er dem Feind seinen Willen aufzwingen kann und lässt sich vom Feind nicht beherrschen.« S. 51

Die Kapitel folgen zunächst den verschiedenen Stufen eines Krieges, beginnend mit dem wichtigsten Punkt, der Planung. Denn derjenige, der alles bedacht hat, der sämtliche Möglichkeiten durchgegangen ist, wird nach Sunzi gewinnen. Es folgen weitere, altbekannte Weisheiten: Die beste Schlacht sei diejenige, die nicht geführt wird. Um zu siegen, müsse man den Feind kennen, Spione wären essenziell.

»Krieg ist Täuschung. Wer fähig ist, zeigt Unfähigkeit, wer aktiv ist, zeigt Untätigkeit.« S. 24

Das Überraschungsmoment und die bewusste Ausnutzung des Terrains seien wesentliche Punkte, die jeden Größenunterschied zweier Heere überbrücken könnten. Wenn die Versorgung des Gegners falle, sei der Sieg gewiss, darum müsse die eigene stets sichergestellt werden…

»Schlucke keinen Köder, den der Feind vorwirft und wenn du den Feind umzingelst, lass ihm einen Durchgang« S. 63

Für uns heute sind derlei Ausführungen keine revolutionären Erkenntnisse, vieles hat man in ähnlicher Formulierung bereits gehört und gerade deshalb ist es faszinierend, festzustellen, dass sich die Menschen in 2500 Jahren nicht verändert haben. Ich kann verstehen, warum Sunzi als Klassiker für Management und Personalführung gilt, es werden Handlungsweisen beschrieben, die sich auf mehr als einen Kontext anwenden lassen. Tatsächlich fühlte ich mich während der Lektüre oft an einen Kampf zwischen Anwälten erinnert und meinen inneren Strategen aufsteigen.

»Die Kunst des Krieges« sei also jedem empfohlen, der sein natürlich gewachsenes Gefühl für Taktik mit etwas Haltbarem untermauern möchte.

Sunzi | Die Kunst des Krieges | Übersetzt aus dem Chinesischen von Dr. Hannelore Eisenhofer | Nikol Verlag | 112 Seiten | Preis:  3,50€  | ISBN: 978-3-86820-350-9

Sunzi, Musashi, Nitobe, u.a | Fernöstliche Klassiker: 6 Bände im Schuber | Nikol Verlag | ca. 976 Seiten | Preis: 19,95 € | ISBN: 978-3-86820-478-0

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