»Wenn ich die menschliche Natur auch nur ein bisschen ergründete (und das sollte man von einem Schriftsteller ja eigentlich erwarten), hätte ich vielleicht gleich durchschaut, was es mit den Geschehnissen an und seit jenem Abend auf sich hatte. Doch ich las die Mail von Ada Hammerstein mit lächerlicher Unbefangenheit.« S.5
Als ich das Buch auf einem Tisch mit Mängelexemplaren entdeckte, versprach ich mir aufgrund des Klappentextes eine harte, ehrliche, vielleicht auch erschreckende und vor allem zugespitzte Auseinandersetzung mit dem Schriftstellerklischee und der literarischen Welt. Was ich bekam, war eine lauwarme Portion von… ja, was eigentlich? Jedenfalls keinen armen Poeten, auf den ich an dieser Stelle wohlwollend verweise.
Denn was mit dem zurückliegenden Zitat recht vielversprechend begann, haarsträubende Dramen und Intrigen versprach, ja von einem gewissen Maß an sprachlicher Raffinesse und Pointiertheit zeugte, entwickelte sich schleichend und doch unaufhaltbar zu etwas, das nach gänzlich anderen Adjektiven verlangte: blass, langweilig und (ich wage es kaum zu sagen, da dieses Wort das wohl härteste aller Urteile spricht) belanglos.
Doch worum geht es überhaupt? Unsere Protagonistin, aus deren Perspektive die Erzählung geschildert wird, ist eine junge Schriftstellerin, die nach dem großen Erfolg ihres Debuts in einer Schreibblockade steckt. Außerdem sind da noch dieser Schüler, der Spaß daran hat, ihren Kurs zum Kreativen Schreiben zu stören und die Mails von Ada Hammerstein, einer Journalistin der Fachzeitschrift Psychologie, die ein Interview mit ihr führen möchte, jedoch ständig Gründe findet, es zu verschieben…
Während der Anfang mit einer wirklich schön geschriebenen Zusammenkunft der Protagonistin, ihrem Verleger, einem nachtragenden Autor und weiteren zum Teil spitzzüngigen Bekannten wunderbar zäh und lebendig daherkommt und den Leser mit allerlei Hintergrundinformationen versorgt, werden die Kapitel anschließend immer kürzer, gehaltloser und szenenartiger. Den Figuren fehlt es an Fülle, der Geschichte an Inhalt. »Schriftsteller!« wirkt oberflächlich, wie ein altes, unbeendetes Manuskript, das mangels neuer Ideen und eines nahenden Abgabetermins aus den Tiefen der Schubladen gekramt und nur flüchtig überarbeitet wurde, bevor der Verlag es, in treuseligem Vertrauen auf die Qualität dessen, was die Schriftstellerin sonst liefert, kurzerhand veröffentlichte.
Dennoch: Es ließ sich durch den flüssigen, wenn auch nicht auffallenden Schreibstil, die niedrige Seitenzahl und die sich stetig nähernde Pointe, die zu erfahren ich mich dann doch genötigt fühlte, leicht lesen. Und siehe da, wenn auch die Auflösung etwas enttäuschte, so konnte mir zumindest der letzte Satz unverhofft ein Lächeln auf die Lippen zaubern (und das nicht, wie manch eine böse Zunge meinen könnte, weil ich es hiermit endlich geschafft hatte):
»Bloß nicht verklagen, sonst verkauft es sich womöglich noch…« S.114
Zusammengefasst ist »Schriftsteller!« eine kurzweilige Geschichte, auf die man gut verzichten kann. Ich selbst habe zwar noch nicht mehr von der Autorin gelesen, meine mich aber erinnern zu können, einmal eine Empfehlung für eines ihrer Werke bekommen zu haben. Dieses war es wohl nicht. Insofern bin ich mir sicher, dass Jessica Durchlacher es besser kann und werde nicht zurückschrecken, ein anderes ihrer Bücher zur Hand zu nehmen, wenn es mir begegnen sollte.
Jessica Durlacher | Schriftsteller! | Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers | Diogenes Verlag | 128 Seiten | Preis: 7,90€ | ISBN 978-3-257-23784-9